Energie

Kontakt / Weiterführende Links

Euratsfeld setzt auf Nahwärme

In Zeiten von Klimakrise und Versorgungsengpässen mit fossilen Brennstoffen ist eine kleine Gemeinde nahe Amstetten gut auf dem Weg, den sie vor 25 Jahren eingeschlagen hat : Heizen mit lokalem Hackgut.

Eine Heizer beim Beheizen der öffentlichen Nahwärmeanlage in Euratsfeld.

Quelle: Ursula Röck

Wenn wir zurückdenken ans Ende der Neunzigerjahre : Damals war der Ölpreis sehr niedrig“, erzählt Johann Weingartner, Bürgermeister von Euratsfeld, „drei Schilling fünfzig aufwärts hat der Liter gekostet. Holz als Brennstoff hatte damals einen ganz geringen Stellenwert.“ Dennoch hat Weingartner, zu der Zeit Obmann der Fernwärmegenossenschaft, schon damals die Energiewende in seinem Ort angestoßen. Die kleine niederösterreichische Gemeinde südlich von Amstetten zählt rund 3.000 EinwohnerInnen – und bis heute auch 18 Heizungsanlagen, die mit Hackgut aus der Region befeuert werden und zur Versorgung der BürgerInnen mit Nahwärme dienen.

„Raus aus Öl und Gas“, so lautet eine der Devisen der Energiewende in ganz Österreich. Öl und Gas sind sogenannte „fossile“ Brennstoffe. Das bededeutet, sie sind vor etwa 70 Mio. Jahren aus Wassertieren und -pflanzen entstanden, die auf den Meeresgrund sanken und dort hohem Druck und Wärme ausgesetzt waren. Diese so seit Jahrmillionen gespeicherte Energie verbrauchen wir gerade innerhalb nur weniger Jahrzehnte – für die Erzeugung von Wärme, Bewegung und Strom. Doch diese Energieform ist nur begrenzt verfügbar und sie schadet noch dazu massiv der Umwelt, in der wir leben. Den eigenen Strombedarf deckt das Land Niederösterreich deshalb schon seit 2015 (bilanziell) zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Aber bei der Mobilität und beim Heizen gibt es noch Handlungsbedarf.

Denn der Energieverbrauch dafür ist hoch : In den niederösterreichischen Haushalten wird 51 % der Energie für die Heizung verbraucht, weitere 8 % für die Erzeugung von Warmwasser, 31 % für private Fahrzeuge und 10 % für Elektrogeräte im Haushalt. Für die CO2-Bilanz wäre es freilich am besten zu hei­zen, ohne dabei überhaupt etwas zu verbren­nen. Das ist derzeit etwa über Wärmepumpen möglich, die zum Betrieb wiederum Strom brauchen (der kann aber z. B. auch aus einer hauseigenen PV-Anlage kommen). In Euratsfeld setzt man schon seit Jahrzehnten auf eine andere erneuerbare – wenngleich nicht CO2-neutrale (weil bei der Verbrennung von Holz CO2 entsteht), aber zumindest klimaneutrale – Methode : Nahwärme. 2021 betrug der Anteil der biogenen Brennstoffe für die Wärmebereitstellung in der Marktgemeinde 77 Prozent, im öffentlichen Bereich sogar 100 Prozent.

Öffentliches Heizhaus in Euratsfeld.

Quelle: Ursula Röck

„Die Überzeugungsarbeit vor 25 Jahren war sehr schwierig“, sagt Weingartner. Der 57-Jährige ist seit 12 Jahren Bürgermeister, davor war er bis 2009 Chef der Fernwärme. „Der Klimaschutz war mir immer schon ein Anliegen. Ich hab einen Referenten von damals noch im Ohr : ,Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geliehen.‘ Das ist in dem Sinne auch ein bäuerlicher Spruch, ich bin selber Landwirt. Man will den Hof ja auch so weitergeben, dass auch die nächste Generation wieder wirtschaften kann – und ihnen das auch Freude macht.“

Weingartner zufolge ist einer der wichtigsten Faktoren beim Heizen die Versorgungssicherheit – im Jahr 2022 zeigt sich das besonders deutlich : Kaum jemand traut sich derzeit aufgrund der Situation in der Ukraine, dem entsprechend schwierigen Verhältnis zu Russland und auch aufgrund der Klimakrise die zukünftige Entwicklung der Öl- und Gaspreise vorauszusagen. 1997 betrugen sie einen Bruchteil der aktuellen Preise. Der Ausgangspunkt war für Weingartner damals deshalb ein anderer : „Wir haben uns besonders interessiert für die Wertschöpfung in der Region.“

Heizgut aus der nahen Umgebung des Gemeindegebietes von Euratsfeld.

Das Hackgut für die Euratsfelder Nahwärme kommt fast vollständig aus dem Wald, geliefert von der bäuerlichen Genossenschaft bestehend aus knapp 100 lokalen Landwirten.

Quelle: Ursula Röck

Reihenhäuser in Euratsfeld, die mit Nahwärme versorgt werden.

Quelle: Ursula Röck

„ ‚Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geliehen.‘ Das ist in dem Sinne auch ein bäuerlicher Spruch, ich bin selber Landwirt. Man will den Hof ja so weitergeben, dass auch die nächste Generation wirtschaften kann – und ihnen das auch Freude macht.“
Johann Weingartner / Bürgermeister von Euratsfeld

Eine regionale Genossenschaft wurde gegründet, die die Wärme bereitstellt. „Da ging es uns stark um Fragen wie : Wer sind die Leute, die das betreiben ? Kann ich denen vertrauen ? Mache ich mich von denen abhängig ?“, sagt Weingartner. „In unserem Fall habe ich die Brennstofflieferanten dann direkt bei der Hand. Es ist nicht ein Machthaber in irgendeinem anderen Land.“ Das Euratsfelder Modell setzt deshalb auf Nahwärme.

Wie schaut das konkret aus ? Bei der Fernwärme steht ein großes Kraftwerk im dicht besiedelten Raum und versorgt so viele umliegende Wohneinheiten. Geht es ins stärker zersiedelte Gebiet, ist Fernwärme aber nicht mehr sinnvoll – der Energie­verlust im weitläufigen Leitungsnetz ist dann zu hoch. „2001 haben wir im Ort den Standort Mittelschule und Kindergarten mit einer Genossenschafts­heizung ausgestattet. Parallel haben wir immer wieder darauf geschaut, dass wir private Haushalte mitnehmen.“

Und irgendwann wurde die Initiative tatsächlich zum Selbstläufer. Weingartner : „Die Leute haben das Vorbild der Gemeinde gesehen und sich gesagt : ,Na, wenn das so geht, red‘ ma uns in der Siedlung zusammen und machen das auch so.‘“ Heute werden dort, wo die Genossenschaft nicht hinkommt, je drei bis vier Häuser mit einer eigenen Heizungsanlage versorgt. „Im Häuslbauerbereich ist es schwierig, mit dem Fernwärmenetz reinzugehen“, sagt Weingartner. „Da heißt es jetzt : Ein Nachbar stellt sich zum Beispiel einen 100 kW-Ofen in den Keller, anstatt einem, der nur 20 kW leistet, und versorgt die Nachbarn einfach mit.“

Der Euratsfelder Bürgermeister Weingartner auf Besuch bei einer Familie, die von der Nahwärme profitiert. In zersiedelten Gebieten wäre ein Anschluss an die Fernwärme mit hohem ­Aufwand und hohem Energieverlust verbunden.

Der Euratsfelder Bürgermeister Weingartner auf Besuch bei einer Familie, die von der Nahwärme profitiert. In zersiedelten Gebieten wäre ein Anschluss an die Fernwärme mit hohem ­Aufwand und hohem Energieverlust verbunden.

Quelle: Ursula Röck

Befeuert werden die Öfen größtenteils durch Brennstoffe aus der Region. Sechs Standorte (in Euratsfeld und einer Nachbargemeinde) werden von der bäuerlichen Genossenschaft betrieben. „Die besteht aus knapp 100 Landwirten. Wir wollten uns von Anfang an sehr breit aufstellen und den Landwirten in der Umgebung die Möglichkeit bieten, ihr Hackgut zu verwenden. Klar, es gibt auch industriell hergestelltes Hackgut, auch billiger. Aber wir haben einen Anteil von 80 bis 90 Prozent Waldhackgut.“

In Niederösterreich gibt der aktuelle Klima- und Energiefahrplan Eckpfeiler für die Energiewende vor : Erneuerbar, regional und unabhängig wollen Land und Gemeinden in ihrer Energieversorgung künftig sein. Dazu gehören sowohl das Aus für fossiles Gas und Öl, aber auch „intelligente Gebäude“ – nämlich solche, die schon als Niedrigenergiehäuser errichtet oder entsprechend saniert werden. Auch die Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie müssen weiter ausgebaut werden.

In Euratsfeld schaut das so aus, dass für die Stromerzeugung aus der Sonne mittels PV-Anlagen im Jahr 2012 ein Bürgerbeteiligungsprojekt startete. Ca. 160 kWp an an Photovolta­ikpaneelen wurden an öffentlichen Anlagen montiert, an den Schulen, im Kindergarten, am Gemeindebauhof, bei der Fußballanlage, am Musik- und Feuerwehrhaus und am Dach des neuen Gemeindeamtes. Die PV-Anlagen liefern Strom für alle diese Häuser. Auch auf den Dächern vieler Privathäuser und Firmen sind schon PV-Anlagen zu sehen. Und im April 2021 konnte im Gemeindegebiet erstmals mehr Strom aus der PV produziert werden, als alle Euratsfelder Haushalte verbraucht haben.

„Im Häuslbauerbereich heißt das zum Beispiel : Ein Nachbar stellt sich einen 100 kW-Ofen in den Keller, anstatt einem, der nur 20 kW leistet, und versorgt die Nachbarn einfach mit.“
Johann Weingartner / Bürgermeister von Euratsfeld

Auch das Potenzial, beim Heizen Energie zu sparen, ist in Euratsfeld offenbar noch nicht ausgeschöpft. Bei einer Informationsveranstaltung im vergangenen Frühling war der Pfarrsaal „g‘steckt voll“, erzählt der Bürgermeister. „Ein Kollege von der eNu hat da Fördermöglichkeiten vorgestellt, gerade auch für jene, die ihre Ein- oder Mehrfamilienhäuser dämmen oder sanieren wollen. Es gibt da durchaus ein Interesse derer, die noch nicht auf Nahwärme oder eine PV-Anlage umgestellt haben.“ Auch die Situation in der Ukraine spiele dem Umstieg da in die Hände.

Weingartner ist klar : Wir alle werden die Energie, die zur Verfügung steht, effizienter nutzen müssen. Niederösterreich hat sich zum Ziel gesetzt, den Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser bis 2030 um rund ein Fünftel zu senken und diesen langfristig überhaupt komplett aus heimischen, erneuerbaren Energiequellen zu decken. Moderne Technologien und intelligente Anwendungen ermöglichen da schon viel : Ein Schlüssel liegt z. B. in Stromanwendungen, die gegenüber herkömmlichen Technologien deutlich energieeffizienter funktionieren (z.B. Elektromobilität im Vergleich zum Verbrennermotor ; hocheffiziente Wärmepumpen).

Markgemeinde Euratsfeld, Brennstoffaufteilung 2021: - Fernwärme/Hackgut: 49% - Heizöl (extra leicht): 22% - Holz: 15% - Pellets: 13% - Flüssiggas:

Markgemeinde Euratsfeld, Brennstoffaufteilung 2021: Bgm. Euratsfeld : „Nahwärme“ statt Fernwärme (Holzöfen, die 3 – 4 Häuser heizen, weil zu großer Wärmeverlust durch Fernwärme), 77 % Wärmeleistung im Ort über Hackgut.

Quelle: GDA

Das längerfristige Ziel ist allerdings, wieder den Energieverbrauch der 1990er Jahre zu erreichen – doch dafür werden technologi­sche Lösungen allein nicht ausreichen. Ein bewusster, sorgsamer Umgang mit Energie ist künftig gefragt. Schon jetzt wird die Motivation, Energie zu sparen, unterstützt durch Bera­tungsinitiativen wie die der Energieberatung Niederösterreich, die künftig ihre Schwer­punkte – ausgehend vom Energiebedarf im Gebäude – immer weiter in Richtung einer umfassenden Betrachtung erweitern wird.

In Euratsfeld ist es etwa so, dass die Nahwärme-Genossenschaft keinen Sommerbetrieb vorsieht. „In der warmen Jahreszeit stehen dank der Sonne andere Heizmöglichkeiten zur Verfügung“, sagt Weingartner. „Das wollen zwar viele nicht einsehen, weil sie trotzdem den Komfort haben wollen, einfach die Heizung aufzudrehen. Aber das ist unsere Philosophie : dass man die natürlichen Gegebenheiten mitdenkt. Wenn ich eh die Sonne hab, brauch ich doch kein Holz verheizen. Wir müssen mit den Ressourcen, die wir haben, sehr sparsam umgehen. In unserer Lebensqualität schränken wir uns dadurch nicht ein, es gibt genug Energiequellen.“

Das sagt der Euratsfelder Bürgermeister auch als Landwirt : „Bei mir ist es momentan soweit – ich bin jetzt Ende fünfzig –, dass ich meinen Hof übergebe, an meinen Sohn. Und das ist mir enorm wichtig, dass man eine Landwirtschaft weitergibt, die nicht ausgebeutet ist. Mit dem Boden sollte man sorgsam umgehen und auch was den Energieverbrauch betrifft, sollte man achtsam sein“, sagt Weingartner. „Ich weiß schon, da rede ich jetzt nicht für alle Bauern. Ich bin ein konventioneller Bauer, nicht Biobauer. Dennoch glaube ich, es kommt auf die Be­wirtschaftung an“, sagt Weingartner. Unter einer Bewirtschaftung mit Hausverstand versteht er, “dass nicht nur der Gedanke des größtmöglichen Gewinns ausschlagge­bend ist. Dass man nicht nur alles dem Profit opfert.“

Service

Energieberatung NÖ: „Rundum Beratung“ von BürgerInnen und Gemeinden bei der effizienten Nutzung von Energie, beim Neubau und im Sanierungsfall.

Kontakt:

Energieberatung NÖ

Service-Telefon : +43 /2742 /22 144 

Energie

Der Klimaschutz als eine der großen aktuellen Herausforderungen ist eng mit dem Energieeinsatz verbunden.

weitere Infos

Downloads

PDF

Energie in Niederösterreich: Statusbericht 2023 (PDF, 650kB)

PDF

NÖ Klima- und Energieprogramm 2030: Statusbericht 2023 (PDF, 2,4MB)

PDF

SDG Indikatorenset auf Bundeslandebene NÖ (PDF)

PDF

SDG Indikatorenset auf Bundeslandebene NÖ (CSV)

Magazin bestellenImpressumDatenschutzBarrierefreiheitKontakt
nach oben
Emas Logo

© 2022 Amt der NÖ Landesregierung