„Die Energiewende kann nur gelingen, wenn wir auch Energie sparen“
Jürgen Schneider, Sektionschef für „Klima und Energie“ im Umweltministerium, über die Bundespläne zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen – und was Installateure und die Windkraft dazu beitragen können.
Quelle: Paul Gruber
Die Hälfte der Nutzenergie in NÖ wird fürs Heizen verwendet. Welche verschiedenen Hebel – neben dem derzeit von Bund und Land geförderten Kesseltausch („Hol die Leichen aus dem Keller“) – identifizieren Sie, um Österreich beim Heizen von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen ?
Derzeit heizen in Österreich noch rund 600.000 Haushalte mit Öl. Vor dem Hintergrund der Ukrainekrise muss man sagen : Diese Versorgung mit fossiler Energie ist erstens umweltschädlich, zweitens kann sie sehr teuer werden und drittens ist sie äußerst unsicher. Daher gibt es viele Gründe, rasch auf klimafreundliche Heizsysteme umzusteigen. Wir in Österreich haben den Vorteil, dass die Versorgung überwiegend durch heimisches Aufkommen gesichert werden kann, dank Pelletheizungen, Wärmepumpen, Nahwärme mit Hackschnitzel oder Geothermie. Aus verschiedenen Gründen ist es klug, jetzt umzusteigen ; u. a. aufgrund des großzügigen Förderangebots mit den Initiativen „Raus aus Öl und Gas“ sowie „Sauber heizen für alle“ für einkommensschwache Haushalte. Damit wird ein Heizungswechsel für diese Haushalte beinahe komplett finanziert.
Wie laufen diese Förderungen ?
Durch die aktuelle Situation werden vermehrt Förderungen für den Umstieg auf saubere Heizungssysteme in Anspruch genommen. Aber wir überlegen natürlich auch weitere Schritte. Im Neubau sind Ölheizungen bereits verboten, in Neubauten sollen ab 2023 auch keine Gasheizungen mehr errichtet werden dürfen. Mit diesen und weiteren Maßnahmen haben wir einen Stufenplan für den Ausstieg aus Öl und Gas, damit wir das Ziel der Klimaneutralität 2040 erreichen. Ein Instrument ist das Erneuerbaren-Gebot : Wenn zum Beispiel die alte Heizanlage kaputt ist, wenn man also ohnehin Geld in die Hand nehmen muss, dann soll das Geld gleich in ein langfristig zukunftsfähiges Heizsystem auf Basis erneuerbarer Energie oder Fernwärme investiert werden.
Aber ist die Dringlichkeit nicht höher ? Was, wenn die Freiwilligkeit nicht greift ?
Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Man muss der Bevölkerung klarmachen, dass fossile Heizsysteme keine Zukunft haben, dass sie ein Auslaufmodell sind. Es gibt Alternativen, die auch wirtschaftlich durchaus attraktiv sind. Da gehört auch dazu, dass wir mit den Professionisten zusammenarbeiten. Wenn ich etwa ein Problem mit meiner Heizung habe, ist nicht eine Behörde mein erster Ansprechpartner, sondern der Installateur. Und damit die Installateure nicht das machen, was sie immer gemacht haben – nämlich : fossile Heizsysteme einbauen, braucht’s auch da Bewusstseinsbildung und Schulungsmaßnahmen.
Wird das auch in der Lehre schon berücksichtigt ?
Für die Lehre ist konkret das Wirtschaftsministerium verantwortlich. Wir sind da in Kontakt mit den verschiedenen Ressorts und in allen Ausbildungswegen wird das Thema erneuerbare Energie stärker verankert.
Generell : Energiesparen von der Bevölkerung einzufordern ist ja nicht nur aufgrund der Energiekrise nötig, sondern auch um die Zielsetzung des EU-Green-Deals zu erreichen. Die sieht immerhin 40 Prozent weniger Primärenergieverbrauch bis 2030 vor.
Die Energiewende kann tatsächlich nur gelingen, wenn wir auch unseren Energieverbrauch deutlich reduzieren – also nicht nur fossile Energieträger durch erneuerbare Formen ersetzen, sondern auch sorgsamer mit Energie umgehen. Das spart natürlich auch Geld, besonders in Zeiten mit extremen Energiepreisen wie derzeit. Da sind insbesondere zwei große Blöcke relevant : Als Erstes der Gebäudesektor. Da gibt es schon relativ strenge Standards, neu errichtete Objekte sind üblicherweise Niedrigenergiehäuser. Aber bei der Sanierungsrate ist eine Steigerung dringend nötig. Üblicherweise heizen wir, um im Winter 20, 22 Grad im Wohnzimmer zu haben. In einem schlecht sanierten Objekt, brauche ich über 200 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr dafür. In einem gut gedämmten Objekt oder einem Niedrigenergiehaus brauchen wir für den gleichen Effekt nur ein Zehntel dieser Energie und damit auch nur ein Zehntel der Energiekosten.
Nutzenergieverbrauch privater Haushalte in NÖ, 2021: In den privaten Haushalten in NÖ wird etwa die Hälfte der verbrauchten Nutzenergie fürs Heizen verwendet. Ein weiteres Drittel geht auf Kosten der privaten KFZ. Die restliche Energie wird für Warmwasser und Elektrogeräte (z. B. zum Kochen). verwendet.
Quelle: Land NÖ
Und der zweite Sektor, bei dem es viel Einsparpotenzial gibt ?
Das ist der Verkehrssektor. Da gehen wir derzeit unendlich sorglos mit Energie um. Wir haben Fahrzeuge, die viel zu schwer sind, die einen furchtbar schlechten Wirkungsgrad haben. Ein E-Auto ist drei Mal so effizient wie ein Benzin- oder Dieselfahrzeug. Der E-Motor hat mit 80 Prozent einen viel höheren Wirkungsgrad im Vergleich zu den 25 bis 30 Prozent der Verbrennungskraftmaschine. Daneben müssen wir natürlich auch den öffentlichen Verkehr forcieren, das Zufußgehen, Radfahren. Das spart Geld, ist gut für die Gesundheit und das Klima.
Gleichzeitig : Wird es dann nicht eng mit dem Strom, wenn sowohl Verkehr als auch Heizung sich stärker elektrifizieren ?
Es stimmt schon, Dekarbonisierung – also der Abschied von Kohle, Öl und Erdgas – bedeutet oft den Umstieg auf Strom. Das ist aber nicht nur eine schlechte Nachricht, weil – siehe eben E-Auto – der Betrieb mit Strom oft deutlich effizienter passiert. Das heißt : Unser Stromverbrauch wird steigen, aber der Energieverbrauch sinken. Wir haben das ausgerechnet, der entsprechende Fahrplan steht im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) : Die jährliche Stromerzeugung in Österreich soll bis 2030 um 27 Terawattstunden steigen. Damit lässt sich auch der zusätzliche Energiebedarf für einen forcierten Umstieg auf E-Mobilität gut abdecken. Das ist machbar. Was es natürlich braucht, ist die zusätzliche Energieerzeugung vor allem durch PV- und Windkraftanlagen, plus die entsprechende Infrastruktur, also Leitungen und Speicher.
Nutzenergieverbrauch in Niederösterreich, 2021: Die Mobilität beansprucht den größten Anteil der Nutzenergie in NÖ. Effizienzmaßnahmen in diesem Bereich haben ein hohes Klimaschutz-Potential.
Quelle: Land NÖ
Und da sehen Sie Österreich auf einem guten Weg in Hinblick auf die Klimaziele für 2030 und 2040 ?
Jein. Wir haben gute Schritte mit dem Erneuerbaren Ausbaugesetz gemacht. Jetzt kommt es auch auf die Bundesländer an, die für Photovoltaik (PV) und Windkraftanlagen Flächen auch zur Verfügung stellen müssen, damit eben auch die Ausbauziele bei der erneuerbaren Stromerzeugung tatsächlich erreicht werden. Genehmigungsverfahren und Flächenwidmung zum Beispiel sind Ländersache. Jedes Bundesland muss da entsprechend den naturräumlichen Gegebenheiten seinen Beitrag leisten.
Auch Niederösterreich.
Ja, so ist das.
Aber wie ist die stabile Stromversorgung zu bewerkstelligen bei saisonal stark schwankenden Erträgen erneuerbarer Energiequellen ?
Das ist durchaus eine Herausforderung. Klarerweise haben wir bei der PV im Sommer deutlich höhere Erträge als im Winter. Da ist es notwendig, Flexibilität und langfristige Speichermöglichkeiten zu schaffen, um die Energie im Sommer zu ernten und im Winter zur Verfügung zu haben. Technologien mit Wasserstoff spielen da eine große Rolle und da werden wir auch bei der Infrastruktur noch etwas tun müssen und Ertüchtigungen brauchen – auch international. Auch im Strombereich ist es sinnvoll, eine gute europäische Kooperation zu haben, damit wir gemeinsam orchestriert die Energiewende schaffen. Wenn dann im Winter in manchen Gebieten kein Wind weht, in anderen aber schon, ist es wichtig, dass der Strom dorthin fließt, wo er gerade gebraucht wird.
Service
Kurzbiografie Jürgen Schneider: Jürgen Schneider hat an der Universität Wien Chemie studiert. Danach war er ebendort als Universitätsassistent tätig, später bei der WHO in Bonn und am Umweltbundesamt – dort auch in mehreren leitenden Positionen. Seit November 2020 ist er Sektionschef für Klima und Energie im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.
Klimaschutz, Klimawandelanpassung und Luftreinhaltung
Die Klimaerwärmung mit rund 2 °C seit 1880 liegt in Österreich, bedingt durch die kontinentalen Einflüsse, besonders hoch.
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