Die große Umgestaltung
Der Nibelungenplatz in Tulln wird vom Parkraum zur Grünfläche. Wie setzen Bürgermeister Peter Eisenschenk und sein Team das um ?
Quelle: Harald Tremmel / studio.mishugge.com
Es gibt da einen Platz mitten in Tulln. Genauer gesagt, handelt es sich derzeit noch um einen Parkplatz, einen großen, mit Platz für etwa 200 Autos. Er hat einen schönen Namen, der der ganz nah vorbeifließenden Donau Tribut zollt : der Nibelungenplatz. Und er umrahmt das Gemeindeamt ; Bezirkspolizei, Minoritenkirche und AMS grenzen an. Im März 2021 beschloss der Gemeinderat deshalb : Dieser Platz kann mehr sein als bloß eine asphaltierte Stellfläche.
Dabei : „Die Thematik Parken ist immer eine heikle“, erzählt Tullns Bürgermeister Peter Eisenschenk. „Aber es geht wie überall auf der Welt ums Narrativ, das erzählt wird.“
Als die vereinte Opposition gleich nach dem Gemeinderatsbeschluss eine Volksbefragung über die Umgestaltung des Platzes forderte, brauchte Eisenschenk deshalb einen Plan : „Wir haben begonnen, einen sehr aufwendigen, intensiven Prozess der Bürgerbeteiligung aufzusetzen. Motto : ,Gemeinsam Platz machen – Platz für die Menschen, statt für Autos‘. “
Das war also die Devise. Eisenschenk schlug vor, den Nibelungenplatz großflächig zu entsiegeln, zu begrünen und als Park zu nutzen. Damit werde Tulln als „Gartenstadt“ (mit jährlichen ökologischen Gartenschauen am Messegelände) auch in der Innenstadt authentisch. Und damit werde auch der Handel gestärkt, ist Eisenschenk überzeugt : „Früher hieß es : Sind die Händler einer Stadt attraktiv, ist auch die Stadt attraktiv. Heute muss die Stadt selbst eine Attraktion sein.“
In der Entwicklung des ländlichen Raumes – und seiner Ballungszentren – stehen wir heute vor vielfältigen Herausforderungen : Corona, Klima, Kriegsherde in Europa. Änderungen, die notwendig wären, haben das Potenzial, unsere Leben zu verändern. In welche Richtung wollen wir steuern ? Das können wir heute noch entscheiden, wir können die Weichen stellen. Doch : Woran sollen wir uns dafür orientieren ? Welche theoretischen Ansätze, wissenschaftlichen Studien und praktischen Beispiele geben uns einen Blick in die Zukunft und liefern damit eine Entscheidungsgrundlage fürs Heute ?
In Tulln versucht man es. Wir treffen Bürgermeister Peter Eisenschenk in seinem Büro in der Handelsakademie der Stadt – er ist auch Direktor dieser Schule. „Bei mir hat das Umdenken 2016 eine neue Dimension erreicht“, sagt er, steht auf und geht zu seinem Bücherregal. Er legt ein Buch auf den Tisch, viele bunte Post-its kleben als Markierungen an den Seitenrändern. „Welt mit Zukunft“ ist 2007 erschienen. Autor ist der deutsche Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler Franz Josef Radermacher.
Quelle: Norbert Kniat
„Vom Kopf her war mir schon immer klar, dass mehr getan werden muss, ich war ja früher auch Umweltstadtrat. Aber nach dem Buch wurde mir plötzlich bewusst : Wir können da nicht mehr vorbeisehen.“ Die Haltung sei dann wie ein Funke von ihm auf andere in der Stadtverwaltung übergesprungen. „Diesen Ruck muss es in jeder Institution geben.“
Seit dieser emotionalen Veränderung jedenfalls, sagt Eisenschenk, habe sich auch der Mut gesteigert, Dinge umzusetzen – manchmal auch gegen Widerstand, gegen reine Argumente der Wirtschaftlichkeit. Radermacher spricht von einer ökosozialen Marktwirtschaft, die eine nachhaltige Entwicklung bei „striktem Umweltschutz“ anstrebt.