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Die Hecke als Biosphäre

Die Artenvielfalt schwindet rasant. Ein unscheinbares Element unserer Kulturlandschaft kann dem entgegenwirken : Wer Hecken bewahrt, schützt den Lebensraum zahlreicher nützlicher Tierarten.

Ökologische Belastungsgrenzen: Über der Belastungsgrenze: - Einbringung neuartiger Substanzen und Organismen, - Biochemische Kreisläufe: v.a. Stickstoff, - Unversehrtheit der Biosphäre: v.a. Artensterben. Zum Teil über der Belastungsgrenze: Klimakrise, Abholzung und andere Landnutzungsänderungen, Süßwasserverbrauch (v.a. Bodenfeuchtigkeit), Ozeanversauerung. Keine globale Grenze, aber regional bereits überschritten: Funktion von Ökosystemen, Partikelverschmutzung der Atmosphäre. Im Unsicherheitsbereich (steigendes Risiko): Ozeanversauerung, Süßwasserverbrauch (Gewässer und Grundwasser, Bodenfeuchtigkeit), Abholzung und andere Landnutzungsänderungen, Ozonloch, Klimakrise. Sichere planetare Belastungsgrenze nach Einschätzung der AutorInnen: zum kleinen Teil: Gewässer und Grundwasser, Ozonloch, Ozeanversauerung.

Ökologische Belastungsgrenzen: Hier werden Grenzen der Erde bezeichnet, deren Überschreitung die Stabilität des Ökosystems und die Lebensgrundlagen der Menschheit gefährdet. Derzeit werden zumeist neun planetare Grenzen diskutiert, die einen sicheren Handlungsspielraum für die Menschheit festlegen sollen, von denen mehrere jedoch bereits überschritten sind. Die Hecke als vielfältiges und multifunktionelles Landschaftselement kann in den meisten Bereichen positive Beiträge liefern.

Quelle: Will Steffen et al., 2015, Linn Persson et al., 2022 und Wang-Erlandsson et al. 2022

Wir Menschen haben es gerne sauber, ordentlich, gepflegt. Im Garten kehren wir im Herbst das Laub zusammen, Totholz wird abgesägt, die Hecke gestutzt. In der Landwirtschaft kommt hinzu, dass Bäuerinnen und Bauern effizient arbeiten, den Platz am Feld gut ausnützen möchten. Nutzpflanzen sind deshalb in Reinkultur angebaut, Fahrgassen für den Traktor auf dem Acker angelegt – Ordnung erleichtert auch hier das Wirtschaften.

So stellen wir uns das vor, eine einheitliche, dicht gewachsene Hainbuchen-Hecke als „lebenden Zaun“, ein einheitliches, regelmäßig angelegtes Maisfeld, weil das selbstverständlich die Ernte erleichtert.

Allerdings kommen wir damit dem kleinen Chaos überall in die Quere : denn Leben wuchert. Wachsen und sich fortpflanzen – das ist alles, wonach jede Zelle, jede Pflanze, jedes Tier inklusive des Menschen, aus sich heraus strebt. Ein Marder frisst eine Beere, hinterlässt deren Samen in seinem Kot, eine neue Pflanze geht auf, wenn die Bedingungen dort passen.

Ein Beispiel für so ein Wuchern, das sowohl in Gärten als auch auf Feldern noch vereinzelt – oder wieder vermehrt – zu finden ist, ist die Hecke. Aber eben nicht die einheitliche Thujen-, Hainbuchen- oder Eibenhecke, sondern die entweder natürlich so entstandene oder als Vogelschutzhecke oder „Windschutzanlage“ angelegte. Im Idealfall finden sich in ihr heimische – und vielfach fruchttragende – Gehölze wie Hartriegel, Schlehe, Pfarrerkapperl, Dirndl, Holunder, Kriecherl mit seinen süß-säuerlichen Früchten oder die Heckenrose mit ihren Hagebutten. Von vielen beiläufig als „Gebüsch“ wahrgenommen, erfüllen Hecken doch enorm wichtige Dienstleistungen im Ökosystem – und zwar im Garten wie am Feld.

„Eine Hecke besteht praktisch aus zwei Waldrändern ohne Wald dazwischen“, erklärt Christophorus Ableidinger von Bioforschung Austria. Es sei typisch, dass solche „Grenzlebensräume“ eine spezielle artenreiche Gemeinschaft von Tieren, Pflanzen, Insekten, Pilzen und Kleinstlebewesen beherbergen. „Hecken bieten in sich unterschiedliche Kleinräume von den Lichtverhältnissen her, in Bezug auf Trockenheit oder Feuchtigkeit. Ganz unterschiedliche Pflanzen und Tiere nutzen sie auch als Nahrungsquelle und Versteck.“

Fragt man Ableidinger, der bei der Bioforschung auch „Gartl-Kurse“ hält, um ein paar Beispiele für diese und weitere Vorzüge der Hecke (z. B. auch für die Landwirtschaft), fallen ihm zahlreiche ein, jedes davon ein Bild aus einer Heckenfibel :

  • Für Vögel etwa sind Hecken ein wunderbarer Lebensraum : Einigen Arten – etwa Schnäpper, Neuntöter, Turmfalke, Bussard – dient die Hecke als Jagdansitz. Singvögel, die je nach Art in unterschiedlichen Höhen der Hecke oder auch am Heckenrand brüten, füttern ihre Küken beinahe ausschließlich mit Insekten, die sie in der Hecke oder auch in den angrenzenden Feldern finden. Weiters sind Früchte, Nüsse oder Pflanzenläuse verschiedenen Vögeln wichtige Nahrung.
Aus der Vogel­perspektive betrachtet : Die Hecke wirkt wie eine Naht, die die Kulturlandschaft zusammenhält.

Aus der Vogel­perspektive betrachtet : Die Hecke wirkt wie eine Naht, die die Kulturlandschaft zusammenhält.

Quelle: Bernhard Baumgartner, Wienerwald Gföhlberg

  • Solche Blattlauskolonien in der Hecke haben indirekt auch Nutzen für die Landwirtschaft : Sie dienen räuberischen Insekten als Basisfutter. Wenn dann im benachbarten Feld Blattläuse auftreten, können die Räuber auch hier tätig werden. Schwebfliegen nutzen den Schatten von größeren Sträuchern oder auch von Bäumen für ihre turbulenten Paarungsflüge. Und als Wanderroute dienen Hecken vielen Arten, zum Beispiel Schmetterlingen, die an diesen zusammenhängend verlaufenden Strukturen in der Landschaft entlang flattern.
  • Für die Landwirtschaft sind Hecken außerdem eine „Windbremse“ : Sie verringern die Windgeschwindigkeit in der Landschaft um bis zu 60 Prozent und schützen damit die angrenzenden Ackerflächen vor Winderosion (Abtragung der oberen, fruchtbaren Humusschicht) und Austrocknung. Denn Hecken wirken auch positiv auf das Kleinklima der Umgebung : Sie halten die Luftfeuchtigkeit hoch. Dadurch können Kulturpflanzen im von Hecken geschützten Bereich Trockenperioden leichter überstehen – in Zeiten der Klimakrise ist das besonders wichtig.
  • Die Hecke ist auch beliebter Brut- und Nistplatz : Mäuse, Hamster, Igel, Spitzmaus, Wiesel und Mauswiesel finden in der Hecke oder am Rand der Hecke ungestörte Plätze, um ihre Baue anzulegen oder sich in eventuell vorhandenen Asthaufen zu verstecken. In mehrreihigen Hecken gibt es auch für Dachs und Fuchs die Möglichkeit, einen Bau anzulegen. Rebhühner, die am Rande der Hecke im Krautsaum brüten, benötigen für die Aufzucht ihrer Jungen Unmengen an Insekten. Hecken und Heckenränder bieten auch Deckung für Rehe und Feldhasen sowie deren Jungtiere, die ihnen am freien Feld fehlt.
  • Und dann sind da noch die Reptilien wie Zauneidechse, Äskulapnatter – in der Nahrungskette ebenfalls auf Insekten oder Kleinsäuger angewiesen. Sie können auf der sonnigen Seite der Hecke Wärme tanken und danach in und um die Hecke auf Jagd gehen. Für diese Tierarten wären Steinlesehaufen und Totholzstapel eine wichtige Ergänzung für ihre Bedürfnisse.
Strohertrag in Prozent der Gesamtbiomasse bei Dinkel – Leeseite einer ­Mehr­nutzungshecke bei ­Unter­mallebarn, 2017 Strohertrag in % der Gesamtbiomasse: am niedrigsten bei ca. 52% bei einem Abstand von der Heckentraufe von 4m bzw. 40 m, und am höchsten bei ca. 59% und einem Abstand von 16m. Zwischen 8 und 36 m (außer 16m) bei ca. 55 - 57%.

Strohertrag in  Prozent der Gesamtbiomasse bei Dinkel – Leeseite einer ­Mehr­nutzungshecke bei ­Unter­mallebarn, 2017: Bedingt durch den Wassermangel im Nahbereich der Hecke ist hier der Strohanteil an der Gesamtbiomasse geringer. Andererseits zeigt die höhere Strohmenge, die in mittlerer Entfernung der Hecke feststellbar war, dass in diesem Teil des Feldes die Bodenfeuchtigkeit höher ist als in weiterer Entfernung. Ursache sind erhöhte Taumengen, Niederschlagsmengen sowie reduzierte Evaporation in Kombination mit dem Nachlassen der Wurzelkonkurrenz mit der Entfernung zur Hecke.

Quelle: Bio Forschung Austria

An diesen Beispielen lässt sich ermessen, wie vernetzt das Leben in der Hecke ist – auch mit allen Tieren und Pflanzen in den angrenzenden Lebensräumen, am Feld, auf der Wiese, im Wald. Blätter, die wir zusammenkehren würden, fallen herab und werden von Bodenlebewesen, Schnecken oder Insekten zersetzt – diese Kleinen dienen den Größeren wieder als Nahrung. Totholz, das wir entfernt hätten, ist Brutstätte für Insekten und Vögel. All das bedingt eine Diversität, die in Einheitskulturen nicht Fuß fassen kann. Auch wenn die Hecke für uns nach Gestrüpp, Gebüsch oder eben „kleinem Chaos“ ausschaut.

Der Wert der Diversität liegt allerdings genau in dieser vermeintlichen Unordnung : Nur wenn die Vielfalt in den ökologischen Nischen erhalten bleibt, können auch die Kreisläufe des Lebens intakt bleiben – und damit die Ökosystemleistungen, von denen unser körperliches Wohlbefinden und übrigens auch unsere wirtschaftliche Entwicklung ganz existenziell abhängig sind. Dazu gehören zahlreiche „Leistungen“, die wir als gegeben betrachten :

  • Zahlreiche Tiere, darunter die Bienen und der schon erwähnte Marder, ermöglichen die Bestäubung von Pflanzen und Verbreitung von Samen.
  • Pflanzen nehmen Kohlendioxid auf und geben Sauerstoff ab. Darüber hinaus verbessern sie die Luftqualität, indem sie die Luft von Schadstoffen „reinigen“.
  • In Süßwasser-Ökosystemen, in Flüssen, Bächen und Seen werden Verunreinigun­gen herausgefiltert, wodurch das Wasser zu unserem Trinkwasser werden kann.
  • Regenwürmer und eine unfassbar große Zahl an Mikroorganismen verwerten abgestorbene Biomasse zu fruchtbarem Boden.
  • Intakte Ökosysteme schützen die darin Lebenden besser vor Naturkatastrophen wie etwa Überschwemmungen oder Lawinen.
  • Denken Sie auch an den Erholungsraum, der durch Hecken für Menschen geschaffen wird : An ihnen entlang gehen wir spazieren, übers offene Feld geht man eher nicht (und sollte man auch nicht, will man den Bauern oder die Bäuerin nicht verärgern). Hecken spenden Schatten in der Ebene, stärken uns auf einer Wanderung mit ein paar Kriecherln.
Ökosystem­leistungen: Kultur: Landschaftsästhetik, Natur- und Kulturerbe, Bildung und Wissenschaft, Unspezifische Interaktion, Wasserbezogene Aktivitäten Basis: Morphologie, Wasserhaushalt Versorgung: Energie, Rohstoffe, Nahrungsmittel Regulation: Retention von C, N, P, Globales Klima, Extremabfluss, Entwässerung, Regional-/Lokalklima, Sediment, Habitat

Ökosystem­leistungen: Das Konzept der Ökosystemleistungen ermöglicht grundsätzlich ihre Monetarisierung und Internalisierung, d. h. die Konzeption von Zahlungen durch die Nutzer dieser Leistungen nach dem Verursacher-Prinzip. Dadurch sollen die durch die (Über-)Nutzung der Ökosystemleistungen entstehenden Nachteile und Kosten für die anderen Mitglieder der Gesellschaft kompensiert werden.

Quelle: Leibniz-Institut für ­Gewässerökologie und ­Binnenfischerei 

Und das ist nur eine kleine Auswahl an Öko­systemleistungen der Hecke. Die genetische Vielfalt der Lebewesen hat dabei auch einen Nutzen für sich : Je mehr Diversität erhalten bleibt, umso eher können sich Menschen, Tiere und Pflanzen innerhalb ihrer Lebensräume an veränderte Bedingungen anpassen, umso flexibler bleiben wir für die Zukunft – etwa dank hitzeresistenter Getreidearten, wenn unsere Sommer trockener werden.

Damit diese Ökosystemleistungen dabei auch so gegeben bleiben, wie sie derzeit vielerorts noch sind, müssen wir doch auch etwas beitragen. Tatsächlich ? Wenn das Leben doch so wuchert, könnte man auch den Eindruck bekommen : Die Welt ist so groß, da werden doch die paar regulierten, eingehegten Lebensräume mit immer weniger Diversität doch das Kraut nicht fett machen.

Das stimmt leider nicht mehr. Ein Kreis von WissenschaftlerInnen aus aller Welt, darunter Nobelpreisträger Paul Crutzen, identifizierte 2009 neun planetare Belastungsgrenzen. Dazu gehören neben den globalen Veränderungen durch Klimakrise, Ozeanversauerung, Süßwasserverbrauch und Abholzung auch das Artensterben. Es ist jene Belastungsgrenze, die bereits am weitesten überschritten ist.

Schauen wir auf die Welt also aus der Vogelperspektive hinunter, könnten wir sagen : Die Hecke ist die Naht, die die Ökosysteme unserer Kulturlandschaft zusammenhält. Fällt sie weg, weil es mehr Anbaufläche braucht, fallen erst kleinräumig und dann auch großflächiger wichtige Ökosystemleistungen aus.

Ein bisschen Chaos werden wir also erhalten müssen – im Interesse aller anderen Lebewesen und auch in unserem eigenen Interesse.

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