Horizon-Projekt ARCADIA: naturbasierte Lösungen zur Klimaanpassung
Die NÖ Landesregierung beschloss in ihrer Sitzung am 5. Dezember 2023 die Teilnahme am EU-Horizon-Projekt ARCADIA. Projektziel ist, das Land Niederösterreich als eine von fünf Vorreiterregionen zur Entwicklung von naturbasierten Lösungen im Bereich der Klimaanpassung in Europa zu positionieren.
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Quelle: Land Niederösterreich, RU3, St.Pölten, 2024
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Quelle: © Bernhard_Baumgartner
ARCADIA NÖ hat zum Ziel, in mehreren NÖ Regionen naturbelassene Lösungen zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln und diese zur Nachahmung für andere europäische Regionen zugänglich zu machen. Projektdauer ist 1. Jänner 2024 bis 30. Juni 2028.
Niederösterreich hat mit 260 Gemeinden in 28 Klimawandelanpassungsmodellregionen (KLAR) und 3.000 ha Bodenschutzanlagen sehr gute Voraussetzungen dafür.
Schwerpunkte sind:
- der Aufbau von sog. Co-Innovation-Laboratorien zur Lösungserarbeitung,
- Netzwerke für grüne und blaue Infrastruktur innerhalb und außerhalb von Siedlungsräumen,
- Maßnahmen in agrarischen Landschaften (z.B.: Multifunktions-Pufferstreifen, Hecken etc.),
- klimafitte Standortentwicklung und Betriebsgebietserneuerung.
Projektpartnerinnen und -partner sind:
- Abt. Umwelt- und Energiewirtschaft
- NÖ Agrarbezirksbehörde
- GeoSphere Austria
- NÖ Energie- und Umweltagentur GmbH
- Natur im Garten GmbH
- ecoplus. Niederösterreichs Wirtschaftsagentur GmbH
Details zum Projekt
2021 hat die Europäische Union ihre Strategie zur Anpassung an den Klimawandel veröffentlicht und 2022 die dazugehörige “Mission Adaption to Climate Change“ ins Leben gerufen. Ziel der Mission ist, 150 europäische Regionen auf ihrem Weg zur Klima-Resilienz bis 2030 zu unterstützen und zu begleiten. Vor diesem Hintergrund haben sich die Abteilung Umwelt- und Energiewirtschaft, die NÖ Agrarbezirksbehörde, Natur im Garten GmbH, NÖ Energie- und Umwelt GmbH, NÖ Wirtschaftsagentur ecoplus GmbH und Geosphere Austria erfolgreich um Aufnahme ins Horizon-Programm beworben und sind nunmehr eine von 5 Modellregionen des ARCADIA-Projekts: NÖ (AT), Emilia Romagna (IT), Zagreb & Krapina-Zagorje (HR), Skåne (SE), Funen (DK), die drei weiteren Regionen – Plovdiv (BG), Centru (RO) und Podravje (SI) – als Vorbild dienen. EU-weit hat ARCADIA 43 Projektpartner.
ARCADIA NÖ wählt und entwickelt erfolgversprechende Lösungen in drei Regionen Niederösterreichs (Co–Innovation-Laboratorien, „Labs“) in folgenden Bereichen:
- NbL als Netzwerke für grüne und blaue Infrastruktur innerhalb und außerhalb des Siedlungsraums. Sie fördern eine Reihe wichtiger Ökosystemleistungen (z. B. Regulierungs- und Erhaltungsleistungen) und bringen Vorteile für die Bevölkerung (Kontakt zur Natur, Möglichkeiten zur Erholung und körperlichen Betätigung, Wohlbefindens und Stärkung der Gemeinschaftsidentität).
- NbL für agrarische Landschaften wie z.B. Multifunktions-Pufferstreifen und Hecken, sowie „No/low tillage“-Landwirtschaftspraktiken schützen das Ackerland gegen Erosion und Bodendegradation. Überdies ermöglichen sie die Vereinbarkeit von landwirtschaftlicher Produktivität, Rentabilität und Nachhaltigkeit.
- NbL für klimafitte Standortentwicklung und Betriebsgebietserneuerung bergen ein enormes Potenzial zur Erreichung der Klimaziele. Über Bebauungspläne oder privatrechtliche Vereinbarungen können verbindliche Vorgaben für die klimafitte Gestaltung von Betriebsgebieten und Firmenarealen gemacht werden.
Grandgarten central area
Quelle: © Grandfarm, 2024
Details zu den ARCADIA Aktivitäten der NÖ Agrarbezirksbehörde
Die Agrarbezirksbehörde hat im Projekt den Fokus auf dem ruralen Raum. Um die Bedeutung des ländlichen Raums für den Klimaschutz zu verstehen, ist es sinnvoll sich folgende Tatsachen vor Augen zu führen:
1. In den obersten 30 – 40 cm der Landböden ist etwas mehr Kohlenstoff gebunden, als in der gesamten Atmosphäre.
2. Derzeit gehen in Österreich pro Hektar Ackerfläche jährlich 5,6 Tonnen fruchtbarer Humus durch Wasser- und Winderosion verloren.
3. Die Landwirtschaft gehört zu den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Aktivitätsfeldern, da sie unmittelbar von Wetter, Witterung und Bodenverhältnissen abhängig ist.
Folgende Ansätze werden im Projekt ARCADIA bearbeitet:
Mehrnutzenhecken
Eine der Maßnahmen mit dem breitesten Wirkungsspektrum sind Mehrnutzenhecken, die optimaler Weise alle 300 Meter in einem Biotopverbund mit Biodiversitätsstreifen angelegt sein sollten. Zusätzlich zum effektiven Schutz vor Wind- und Wassererosion, werden arten- und strukturreiche Lebensräume geschaffen, in deren Schatten sich zahlreiche Nützlinge und Menschen gleichermaßen wohlfühlen. Mehrnutzenhecken erhöhen die Artenvielfalt und bieten Tieren einen Rückzugsort. Eine besondere Rolle für die Landwirtschaft spielen dabei die Bestäuber der Kulturpflanzen und die Fressfeinde von Schädlingen.
Durch die windbremsende Wirkung, die auf der windabgewandten Seite sogar in 25-facher Heckenhöhe noch signifikant messbar ist, schützen Hecken den fruchtbaren Ackerboden und in weiterer Folge auch die Lebensmittelproduktion vor Dürre und Austrocknung. Den meisten Leuten weniger bekannt ist, dass auf Versuchsstandorten im Marchfeld im Nahbereich der Hecke (bis 10 m) auch deutlich höhere Aggregatstabilität gemessen wurde als in weiterer Entfernung. Pro Hektar gepflanzte Hecke können außerdem 20 – 25 Tonnen CO2 im Boden und in der Biomasse gespeichert werden.
Aufgrund dieser vielfältigen vorteilhaften Effekte für die landwirtschaftliche Produktion und die Veränderung des Mikroklimas zum Positiven, werden Hecken und andere Strukturelemente im Zuge der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union EU-weit gefördert und sind auch Teil der Österreichischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Seit dem Jahr 2023 werden Agroforstflächen wie Mehrnutzenhecken, laut dem neuen Forstgesetz nicht mehr Wald, sondern bleiben landwirtschaftliche Flächen und wurden im aktuellen ÖPUL („Österreichisches Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft“) aufgenommen. Damit sind wesentliche Argumente entkräftet, die Landwirte bisher davon abgehalten haben, großflächig in Hecken zu investieren.
Die Agrarbezirksbehörde plant, pflanzt, pflegt und fördert seit 1958 Hecken und ist damit ein europaweit führender Experte. In den mehr als 3.000 ha Hecken, die dank der NÖ ABB in Niederösterreich mittlerweile fest verwurzelt sind, werden jährlich 60.000 – 75.000 Tonnen CO2 gespeichert. Mögen es noch viel mehr werden für ein zukunftsfähiges Niederösterreich!
Flurplanung – Planung eines Systems von NBS und ggf. anderen Maßnahmen für den ländlichen Raum
Eine Flurplanung ist eine agrarstrukturelle Entwicklungsplanung, die dazu dient, die in einem bestimmten Gebiet oder Teilgebiet einer Gemeinde vorhandenen Mängel im ländlichen Raum zu erheben, zu analysieren und dazu geeignete Problemlösungsvorschläge auszuarbeiten. Dabei werden eine ganze Reihe von Themenfeldern berücksichtigt. Eine zentrale Rolle spielt die Land- und Forstwirtschaft. In Hinblick auf die Bodenverhältnisse, aber auch den Stand der Technik des landwirtschaftlichen Fuhrparks, kann ein Zusammenlegungsverfahren mit einer Überarbeitung der Kommassierung sinnvoll sein. Für die optimale Bewirtschaftung der Flächen und für den Gütertransport spielt auch der Wegebau eine tragende Rolle. Genauso wichtig ist aber auch der Schutz von Boden, Natur und Klima, der zum Beispiel durch Landschaftselemente wie Hecken an geeigneten Stellen, oder durch das Brachlegen von Flächen beziehungsweise die Gestaltung von Biotopen, auf denen schützenswerte Bestände bedrohter Tierarten leben, berücksichtigt werden kann. Die Landschaftsgestaltung und das Landschaftsbild sind darüber hinaus für die Naherholung bzw. in weiter Folge auch für das Wohlfühlerlebnis von Gästen entscheidend.
Einerseits bei der Versorgung des Bodens bzw. der Feldfrüchte mit Wasser, andererseits aber auch im Fall eines gestiegenen Grundwasserspiegels oder Hochwassers nach einem Starkregenereignis ist der Wasserbau eine entscheidende Stellschraube, die mit anderen Faktoren gemeinsam, dafür verantwortlich ist, ob und wie stark die Kulturpflanzen durch zu wenig oder zu viel Wasser geschädigt werden. Risiken, hervorgerufen durch Extremereignisse wie Starkregen, Trockenheit und Stürme können durch präventive Maßnahmen, wie die Verbesserung der Baumartenwahl, der Bewirtschaftungsmethoden und der Abflussverhältnisse wesentlich reduziert werden.
Ausgehend von den festgestellten Grundlagen wird von den Experten der NÖ ABB eine optimale Gestaltung und Ausstattung der Fluren unter Berücksichtigung ausreichender Erschließungen, zweckmäßiger Ackerrichtungen, paralleler Grundstücksgrenzen und günstiger Feldlängen, im Hinblick auf zeitgemäße ökonomische und ökologische Erfordernisse erarbeitet. In einer Flurplanung können gegebenenfalls auch mehrere Varianten geplant und kalkuliert werden. Sie kann als Entscheidungshilfe dienen, um zu klären, welche Maßnahmen für welches Teilgebiet in Frage kommen, wie zielführend und sinnvoll diese Maßnahmen jeweils sein können und welche Kosten sie in etwa verursachen würden.
Methoden der biologischen Landwirtschaft
Ebenfalls in der Österreichischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel angeführt ist die biologische Bewirtschaftungsweise, da sie durch die Bündelung verschiedener umwelt- und ressourcenschonender Wirtschaftsweisen, maßgeblich zur Klimawandelanpassung beiträgt.
Zentrale Aspekte sind der Fokus auf die humusmehrende bzw. humuskonservierende Bodenbewirtschaftung zum Erhalt der Bodenfunktionen (Lebensraum, Puffer, Filter, Speicher) und die Vermeidung von Schäden (insbesondere Bodenverdichtung und Bodenerosion), das Schließen der Nährstoffkreisläufe in der Region mit Gründüngung, Mist und Kompostierung, sowie der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Gentechnik. Die langsame Nährstofffreisetzung durch organische Dünger, wie Kompost, erhöht die Ertragssicherheit der Kulturpflanzen und steigert die Qualität der Ernteprodukte. Parallel entfällt die energieaufwendige Produktion von Mineralstoffdünger und die Gefahr der Auswaschung von Nitrat, Nitrit und chemischen Pflanzenschutzmitteln ins Grundwasser. Dazu kommt, dass die Kleinstrukturiertheit der österreichischen Landwirtschaft (viel Hirn pro Hektar) eine Vielfalt an Fruchtfolgen mit standortgerechten Arten und Sorten ermöglicht. Ein Boden mit einer großen Regenwurmpopulation, die die Aggregatstabilität erhält, hat eine maßgeblich höhere Wasseraufnahme- und Wasserspeicherkapazität als ein Boden, in dem das Bodenleben wenig Nahrung findet. In Österreich werden 688.809 ha, davon 282.475 ha im Ackerbau zertifiziert biologisch bewirtschaftet. Das sind 27% aller landwirtschaftlich genutzten Flächen. Zusätzlich nützen auch viele konventionell wirtschaftende Betriebe Methoden, die ursprünglich für die Bio-Landwirtschaft entwickelt wurden, um ihre Böden fruchtbar zu halten und klimafit zu machen. Die Agrarbezirksbehörde unterstützt seit vielen Jahren Projekte zum Humusaufbau in Niederösterreichs Böden.
Diversifizierung durch Marktgärtnerei, SoLaWi und Gemüsepachtparzellen
Eine Diversifizierung der Betriebe mit kleinstrukturiertem Gemüsebau, die weitgehend mit Handarbeit anstatt mit schweren Maschinen bewirtschaftet wird, ist ebenfalls eine vielversprechende Maßnahme. Mögliche Ausprägungsformen sind Marktgärtnerei, Solidarische Landwirtschaften (SoLaWi) oder Gemüsepachtparzellen. Bei einer Marktgärtnerei erfolgt die Bewirtschaftung der Fläche durch Landwirte und ihre Angestellten. Die Vermarktung erfolgt beispielsweise via Gemüsekisterl. Bei SoLaWis arbeiten auch Laien unter Anleitung von landwirtschaftlichen Fachkräften an Pflege und Ernte mit. Bei Gemüsepachtparzellen bereiten Landwirte bzw. ihre Vertragspartner vorbebaute Parzellen vor, die vom Frühling bis in den Herbst von Privatpersonen gepflegt und beerntet werden.
Kleinstrukturierte händische Bewirtschaftung ermöglicht das optimale Ausnützen der Flächen durch eine Vielfalt an Kulturpflanzen, da die Anbaufläche dreidimensional strukturiert werden kann und nach der Ernte einer Kultur sofort wieder nachgebaut wird. Da nur kurze Transportwege mit der Ware zurückgelegt werden müssen, kann z.B. Frischgemüse reif geerntet werden, was auch ernährungsphysiologische und sensorische Vorteile hat. Zusätzlich entfällt die industrielle Vorverarbeitung. Anstatt eines großen Betriebs, der für die Versorgung einer ganzen Region mit z.B. einem Gemüse verantwortlich ist, werden viele kleine Versorgungseinheiten geschaffen, die durch ihre Arten- und Sortenvielfalt, sowie der geringen Wahrscheinlichkeit, dass alle gleichzeitig einem Extremwetterereignis zum Opfer fallen, gemeinsam für Klimaresilienz sorgen. Durch die notwendige Handarbeit in der Kleinstruktur wird zusätzlich die regionale Wirtschaft unterstützt.
No Till Methoden wie Roller Crimper
Ein möglicher Ansatzpunkt zum Schutz des Bodens vor Starkregenereignissen mit parallelem Verdunstungsschutz ist die ständige Bedeckung des Bodens mit Kulturpflanzen, Begrünung oder Mulchmaterial. Bei der Roller Crimper- Methode werden Zwischenfrüchte nicht gemulcht und in den Boden eingearbeitet, sondern nur umgewalzt. Die Walze wird vorne am Traktor montiert, während hinten eine Sämaschine hängt und im selben Arbeitsgang die nächste Feldfrucht angebaut wird. Die Zwischenfrüchte bleiben fest mit dem Oberboden verbunden und bilden eine Mulchschicht.
Damit wird das Pflügen für viele Teile der Fruchtfolge vermieden, was die Regenwürmer fördert, die in weiterer Folge den Oberboden aufbauen können. Auch in den aktuellen ÖPUL-Maßnahmen sind reduzierte Bodenbearbeitung und „immergrüne“ Systeme berücksichtigt. In NÖ wird am Forschungsbauernhof „Grand Farm“ an der Entwicklung von geeigneten Fruchtfolgen für diese Methode gearbeitet.
Text: Katharina Deim, Erwin Szlezak
Weitere Informationen finden Sie auf www.unserboden.at.
Weiterführende Links
Kontakt:
Amt der NÖ Landesregierung,
Abteilung Umwelt- und Energiewirtschaft
Landhausplatz 1, Haus 16, 3109 St. Pölten
E-Mail: post.ru3@noel.gv.at, Tel: 02742/9005 – 14317
Dr. Michael Hofstätter
NÖ Agrarbezirksbehörde
Fachabteilung Landentwicklung
A-3100 St.Pölten, Landhausplatz 1, Haus 12
E-mail: info@unserboden.at, Tel: 02742 / 9005-15291
Dr. Erwin Szlezak