Niederösterreich gut auf Zielkurs
IIÖ Institutsvorstand Andreas Windsperger und sein Team haben die Performance des Bundeslandes anhand der Nachhaltigkeitsindikatoren analysiert : Gut ausgebaut auf Schiene und Straße, mit starker Kaufkraft und hoher Lebensqualität stellt Niederösterreich sich heute Herausforderungen wie der touristischen Entwicklung und dem Umweltschutz.
Das Institut für Industrielle Ökologie (IIÖ) unterstützt als gemeinnützige, wissenschaftliche Vereinigung das Land seit seiner Gründung 1998.
Quelle: © Ursula Röck
Niederösterreich ist das größte Bundesland, hat eine hohe Bevölkerungszahl und ist relativ dünn besiedelt mit einer größeren Zahl von Kleinstädten. Am Land leben die Bewohnerinnen und Bewohner relativ weit verteilt, mit einem hohen Grad an Zersiedelung und einer hohen Anzahl an Einfamilienhäusern. Dies führt einerseits zu einer erheblichen Flächeninanspruchnahme, andererseits ist auch der energetische Endverbrauch pro Kopf in Niederösterreich vergleichsweise hoch. Allerdings weist Niederösterreich eine überdurchschnittliche Wohnungsgröße und einen hohen Anteil von Wohnungs-Eigentum auf, was auch als Vorsorge gegen Altersarmut wirkt. Die Preise für Kauf oder Miete von Wohnungen liegen in Niederösterreich unter dem Durchschnitt, nur jene für Grundstücke sind deutlich höher, vor allem im Umfeld der Städte. Generell liegen hier aber starke regionale Unterschiede vor. Insgesamt ist die Zufriedenheit mit der Wohnsituation über dem Durchschnitt von Österreich.
Die geringe Bevölkerungsdichte und die Besiedlung in die Fläche bringen auch Schwierigkeiten bei der Versorgung mit öffentlichem Verkehr. Trotzdem ist in Niederösterreich auch die Schieneninfrastruktur deutlich überdurchschnittlich ausgebaut. Eine positive Entwicklung Richtung umweltfreundlicher Verkehrsmittel zeigt der Verkauf an Klimatickets in der Region, der über dem österreichischen Durchschnitt liegt. Trotz dieser Fortschritte und vieler Aktivitäten zur Unterstützung alternativer Mobilitätsformen ist der Individualverkehr in Niederösterreich insgesamt dominant. Zur Gewährleistung der Erreichbarkeit von entlegenen Gebieten ist ein gut ausgebautes Straßennetz notwendig. Niederösterreich hat eine überdurchschnittliche Länge an Autobahnen und eine hohe Anzahl an Kfz sowie an gefahrenen Strecken, was zu höheren Werten beim Energiebedarf und der Emissionssituation beiträgt. Viele der Fahrzeuge sind allerdings mit alternativen Antrieben ausgestattet und es gibt zahlreiche E-Ladestationen, was den Trend zur Elektromobilität unterstützt und längerfristig die Situation im Mobilitätsbereich verbessern wird.
Gut leben in Niederösterreich
Niederösterreich weist eine hohe Lebensqualität und einen hohen Wohlstand auf. Bei der Kaufkraft ist Niederösterreich Spitzenreiter unter den Bundesländern, das Einkommensniveau ist überdurchschnittlich, was den Konsum und das Bewusstsein für Nachhaltigkeit positiv beeinflusst. Zu der guten Situation dürfte auch die höhere Erwerbstätigenquote beitragen. Auch ein geringer Anteil von „Working Poor“ sowohl bei Männern als auch Frauen zeigt in diese Richtung. So liegen die notwendigen Ausgaben für Mindestsicherung und Sozialhilfe deutlich unter dem Durchschnitt von Österreich. Dieser Befund wird durch eine niedrigere Arbeitslosenquote in Niederösterreich unterstützt. Bei der Armutsgefährdung liegt Niederösterreich bei den relevanten Indikatoren besser als der Durchschnitt in Österreich.
Die Lebenserwartung der Bevölkerung ist im Durchschnitt höher, was auf gute gesundheitliche Bedingungen hinweist. Die gesundheitliche Versorgung in Niederösterreich ist generell gut, allerdings gibt es einen Mangel an Fachärztinnen und -ärzten. Dies stellt eine Herausforderung dar, insbesondere in ländlichen und abgelegenen Gebieten. Trotzdem sind die Gesundheitsausgaben pro Einwohnerin/Einwohner um ca. 15 % niedriger als der Durchschnitt für Österreich. Positiv hervorzuheben ist eine vergleichsweise gute Verfügbarkeit von mobilen Pflegeleistungen, die besonders wichtig für die Betreuung und Unterstützung älterer und pflegebedürftiger Menschen sind.
Das soziale Leben ist durch eine Vielzahl von Vereinen stark ausgeprägt, was auf eine aktive Gemeinschaft und sehr viel soziales Engagement hindeutet. Die hohe Anzahl an Freiwilligen zeigt nicht nur die Bereitschaft der Bevölkerung zur ehrenamtlichen Unterstützung, sondern auch eine gut funktionierende organisatorische Struktur. Unterstützt durch gut strukturierte Blaulichtorganisationen, ist die Sicherheitslage in Niederösterreich stabil. Niedrigere Zahlen von angezeigten Körperverletzungen und Mordfällen und eine hohe Aufklärungsquote für Diebstahl in Niederösterreich deuten darauf hin, dass die Sicherheitsmaßnahmen effektiv sind und die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden gut funktioniert.
Ein Land mit Naturpotenzial
Niederösterreichs Landschaft ist relativ eben und ermöglicht dadurch eine intensive landwirtschaftliche Nutzung. Der Anteil an Ackerland ist besonders hoch, während der Waldanteil im Vergleich niedriger ist. Damit kommt Niederösterreich große Bedeutung in der Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit Lebensmitteln zu. Allerdings hat in den letzten 50 Jahren ein starker Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe stattgefunden, die verbleibenden Betriebe bewirtschaften aber eine größere Fläche mit verstärktem Maschineneinsatz. Die biologisch bewirtschafteten Flächen liegen zwar noch unter dem österreichischen Durchschnitt, doch ihr stetig wachsender Anteil zeigt eine vielversprechende Entwicklung. Besonders hervorzuheben ist die hohe Bodenproduktivität, insbesondere im Nordosten. Dort ist die Fähigkeit des Bodens, Nährstoffe zu speichern und das Pflanzenwachstum zu unterstützen, sehr günstig. Allerdings führen die intensive Flächennutzung und die Zerschneidung der Landschaft zu negativen Auswirkungen auf den Naturschutz. Diese Praktiken können zu einer Fragmentierung von Lebensräumen führen, die Biodiversität gefährden und ökologische Prozesse beeinträchtigen. Diesen Herausforderungen tritt Niederösterreich mit einer Vielzahl an naturschutzrechtlich geschützten Gebieten wie Europaschutzgebieten, Naturschutzgebieten, Landschaftsschutzgebieten und flächigen Naturdenkmälern entgegen, die zusammen rund ein Drittel der gesamten Landesfläche umfassen.
Wirtschaft auf Nachhaltigkeitswegen
Die Wirtschaft in Niederösterreich ist robust und lebhaft. Obwohl das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zu anderen Bundesländern etwas niedriger liegt, verzeichnet es ein höheres Wachstum. Eine hohe Zahl von Unternehmensneugründungen unterstreicht das innovative Potenzial und die wirtschaftliche Attraktivität von Niederösterreich. Der Anteil der Erwerbstätigen an den Erwerbsfähigen liegt in Niederösterreich etwas über dem österreichischen Durchschnitt. Dies spiegelt sich in der hohen Anzahl an Unternehmen insgesamt und auch vielen Ein-Personen-Unternehmen (EPU) wider, was auf ein günstiges Umfeld für Kleinunternehmen in Niederösterreich hindeutet. Der Tourismus ist in Niederösterreich vergleichsweise schwach ausgeprägt. Die Anzahl der Übernachtungen und die daraus resultierende Wertschöpfung sind niedrig. Hier hat Niederösterreich in den letzten Jahren auf „Qualitäts-Tourismus“ gesetzt und eine hohe Dynamik erlebt, trotzdem bleibt in diesem Bereich noch Aufholbedarf.
Die bisherigen Leistungen in der Ressourcen- und Abfallwirtschaft sind groß, doch steht das Land vor einer großen Herausforderung – nämlich vor der Transformation der Abfallwirtschaft zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft.
Fairness für alle
Das Einkommen ist in Niederösterreich höher als der Durchschnitt, dennoch bleibt die Lohnschere ein Problem. Bei der Arbeitszeit liegt die Teilzeitquote insgesamt und auch bei Frauen mit minderjährigen Kindern etwas unter dem Durchschnitt, stieg in den letzten Jahren aber sowohl bei Männern als auch bei Frauen leicht an. Der für die Beschreibung der Einkommensunterschiede verwendete Gini-Koeffizient liegt in Niederösterreich besser als im österreichischen Durchschnitt, zeigt aber eine negative Entwicklung und nähert sich langsam dem Österreich-Durchschnitt an. Auch hinsichtlich der mentalen Belastung der Frauen liegt der Anteil zufriedener Mütter mit der Aufgabenverteilung niedriger als in Österreich gesamt, was weiteren Handlungsbedarf zeigt. Andererseits ist auch eine große Zahl von Frauen in Führungspositionen ein gutes Zeichen für eine gelebte Gleichstellung.
Die Bildungsbedingungen sind gut, Niederösterreich verfügt über eine hohe Anzahl an Volksschulen und allgemeinbildenden Pflichtschulen mit dichter regionaler Verteilung von Schulen, was den Schülerinnen und Schülern relativ kurze Wege zu ihren Bildungseinrichtungen ermöglicht. Es gibt viele Schulen und Lehrkräfte, vor allem im Bereich der mittleren Bildung, was insgesamt zu einem hohen Anteil der Bevölkerung mit mittlerem Bildungsstand führt. Allerdings sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie das wissenschaftliche Personal im Vergleich zum österreichischen Durchschnitt niedriger. Im Gegensatz dazu ist die Anzahl der Studierenden an Fachhochschulen überdurchschnittlich hoch, was auf ein reges Interesse an praxisorientierten Hochschulausbildungen und ein breites Angebot an Fachhochschulen hinweist. Diese bieten praxisnahe Ausbildungen, die den direkten Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtern und somit einen wichtigen Beitrag zur regionalen Wirtschaft leisten.
Weiterführende Links
Kontakt:
Institut für Industrielle Ökologie
Rennbahnstrasse 29
Stiege B, 3. Stock, Zi 303,
A – 3100 St. Pölten
Tel. : +43 / 2742 / 90 05-151 62
E-Mail : Andreas.Windsperger@indoek.at
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